Monatsimpulse 2023
Auf dieser Seite werden Monatsimpulse geteilt, die im Rahmen eines kleinen Andachtsbuches für das Jahr 2023 erstellt wurden. Diese Impulse sind Gedankenanstöße von MBKler*innen.
Viel Freude beim Lesen!
Jahreslosung 2023
Gott sieht
Der Engel des Herrn findet dich
an einer Quelle in der Wüste.
Woher kommst du und wohin willst du?
Ich laufe weg!
Vor Menschen, die mich demütigen und erniedrigen.
Vor Leuten, die mich ausnutzen und missbrauchen.
Vor denen, die hart und unerbittlich sind.
Ich will einfach nur weg!
Der Engel des Herrn sagt zu dir:
Geh zurück!
Misch dich ein, mische mit, misch manches auf!
Mach es dir unbequem und lade die anderen dazu ein.
Wähle den Weg des beschwingten Widerstandes!
Du schaffst das!
Du kannst das!
Du hast ausreichend Kraft!
Du bist gesegnet!
Der Herr hat dich gehört in deinem Leid!
Denn er ist ein Gott der dich sieht!
Lied zur Jahreslosung
Lied: Micha Keding & Katja Demma'Indo
Bild: Simon von Felden
Text: Katja Demma‘Indo
Monatsimpulse
1. Mose 1,31: Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut.
Am Anfang, bei der Schöpfung der Welt und des Menschen, am Anfang, war alles sehr gut. Richtig gut. Nicht einfach gut oder schon okay, sondern sehr gut. Mehr noch: Gut und zum Guten gemacht. Gott gibt sich nicht mit Kompromissen ab, er schafft den Menschen als Ebenbild, als Meisterstück. Der Zauber des Anfangs, er liegt auch wieder über dem neuen Jahr: Ein leerer Kalender, ein nagelneues Journal. Der Zauber des Anfangs? Naja, etwas naiv vielleicht. Vieles ist doch eh schon eingetragen, vorgeplant, verplant. Wir wissen und ahnen, was auf uns zu kommt und wo es wieder stressig und eng wird, wissen, wie es laufen wird. Neben der Erfahrung auch die Enttäuschung: Der Mensch ist nicht nur gut. Ein Blick in die Welt zeigt: Er kann auch anders, kann fallen, viel Böses anrichten. Er ist versuchbar, gefährdet. Ich bin gefährdet. Nicht verdorben, aber verderblich. Gefährdet, die Hoffnung aufzugeben, mich zu arrangieren, nicht mehr das Gute zu wollen, sondern nur die Ruhe, mich an Gefährdendes und Zerstörungskräfte zu gewöhnen, mich raus zu halten, zynisch zu werden. Ich habe gelesen: Der Mensch sei wie ein schöner Apfel, bekäme er einen Ritz, faule er von hier aus. Eine Wachsschicht schütze den Apfel. Eine Wachsschicht gegen das Lau-Werden, die Gewöhnung, das Sich-Arrangieren. Welche Wachsschicht brauche ich, um nicht ungenießbar zu werden? Eine Wachsschicht aus Freundlichkeit, Fürsorge, einander Gutes zutrauen. Vielleicht brauche ich Liebe, Wärme, Sanftheit, Vertrauen, Umkehr, Neuanfang? Ein neues Jahr, ein neues Ja Gottes. Lasst uns aufeinander achten und aufpassen. Und mit Zuversicht beginnen. Wir sind als Meisterstück gedacht. Und ruhen in Gott. In ihm „leben, weben und sind wir“ (Apg. 17,28). Das ist sehr gut.
Gebet: Gott, über allem steht dein Ja zu uns und dieser Welt. Das ist sehr gut. Schenk einen Neuanfang. Wir wollen bleiben bei dir, dem Schlechten widerstehen, aufeinander achten. Bitte hilf dabei. Schenk deinen Geist. Amen.
Lied: Sing, bet und geh auf Gottes Wegen … (aus: Wer nur den lieben Gott läßt walten, EG, 369, Strophe 7)
1. Mose 21,6: Sara aber sagte: Gott ließ mich lachen.
Kennt ihr den kürzesten Witz der Welt? Brennholzverleih…
Passen Witze in dieses Andachtsheft? Hat Gott Humor?
Sara aber sagte: Gott ließ mich lachen, jeder der davon hört, wird mir zulachen. Guckt man sich die Geschichte von Abraham und Sara an, fällt auf, da wird ziemlich viel gelacht. Als Abraham erfährt, dass Sara in ihrem Alter noch einen Sohn gebären soll, fällt er zu Boden und lacht ungläubig. „So ein Quatsch, das geht doch gar nicht“- wird er gedacht haben. Als später Gott in Person dreier Besucher zu Abraham und Sara kommt und die Vorhersage wiederholt, hört Sara heimlich zu und lacht. Sie kann sich nicht mal vorstellen in ihrem hohen Alter überhaupt noch Lust zu empfinden, um gemeinsam mit Abraham ein Kind zu zeugen: „Ich bin doch schon alt und verbraucht“. Es passiert, wie vorhergesagt: Sara und Abraham bekommen in ihrem hohen Alter von um die 100 Jahren einen Sohn, den sie Isaak nennen sollen. Da ist es wieder, das Lachen, denn Isaak bedeutet nichts anderes als „Lachen, Gott lachte, Gott möge lachen, Gott hat zum Lachen gebracht, das Kind lacht“. Mit Isaak, dem Lachen, möchte Gott seinen Bund aufrichten. Nicht mit Ernst oder Groß oder Mächtig. Gott hat Humor! Gott weist Sara und Abraham darauf hin: Lacht ihr nur ungläubig! Ich werde euch zeigen, dass mit mir nichts unmöglich ist. Er hält sein Versprechen und sie bekommen Isaak, das Lachen. Dabei verändert sich Saras Lachen: Aus dem ungläubigen Lachen wird ein fröhliches, befreites, das ansteckt. Nach langer Trauer über Kinderlosigkeit und vielen anderen Widrigkeiten, kann sie lachen. Alle sollen sich mit ihr freuen.
Ich wünsche mir mehr von diesem Humor, die Fähigkeit, auch in schwierigen Zeiten lachen zu können, erst vielleicht ungläubig und dann voller Freude, weil Gott Humor hat und immer wieder zeigt, dass mit ihm nichts unmöglich ist.
Gebet: Gott, lachen ist gesund, lachen steckt an, lachen lässt Schmerzen verschwinden, außer man bekommt Bauchschmerzen vom Lachen. Danke, dass es im Leben trotz allem immer wieder etwas zum Lachen gibt. Gott, schenke uns Lachen in und für diese Welt! Amen.
Römer 8,35: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?
Zugegeben, es fällt mir schwer, diese Frage unvoreingenommen an mich heranzulassen, denn sie ist einem mir sehr bekannten Textabschnitt aus dem Römerbrief entnommen, in welchem Paulus wenige Sätze später direkt (s)eine Antwort liefert. Doch ich möchte diese Frage stellen: Was kann uns/mich scheiden von der Liebe Jesu Christi? Was kann mich trennen, was entfernen von ihr? Was steht zwischen ihm und mir, dass mir seine Liebe nicht zuteilwerden kann? Ist es der drohende finanzielle Ruin in dieser krisengeschüttelten Zeit? Sind es die anhaltenden gesundheitlichen Einschränkungen nach einer Corona-Erkrankung, die den beruflichen Wiedereinstieg in weite Ferne rücken lassen? Eine enttäusche Hoffnung, ein nicht erfüllter Wunsch im Blick auf Berufs- oder Partnerwahl, die mir den Blick auf die Liebe Christi verstellen? Ist es der Krieg in der Ukraine, der uns in den vergangenen Monaten so nahe gerückt ist? Die Klimakrise, die uns ein so düsteres Zukunftsbild vor Augen malt? Je nach persönlicher Situation mag uns das ein oder andere mehr betreffen, sogar schlaflose Nächte bereiten. Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Es ist gut, diese Frage bewusst auszuhalten, wo noch keine Antwort in Sicht ist. Persönlich und in Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern. Paulus kennt all diese Gefährdungen und noch schlimmere (V.35 b). Er verneint nicht ihre Existenz. Aber er bleibt dabei nicht stehen! Deshalb kann ich die „Trennwände“, die meinerseits den Blick auf die Liebe Christi verstellen, nicht wahrnehmen, ohne auf den triumphalen Abschluss dieses Kapitels zu schauen. Wie mit einer einzigen Handbewegung wird alles Fragen weggewischt (V.38 u. 39): Nichts Vorstellbares und nichts Unvorstellbares, nicht einmal der Tod, nein gar nichts kann uns von Gottes großer Liebe trennen! Denn nirgends anders als in Jesus Christus ist diese bedingungslose Liebe zu uns Menschen sichtbarer und greifbarer geworden. Dass er Mensch geworden und für uns gestorben ist, ist Gottes größter Liebesbeweis, der jedem Menschen gilt. Diese Gewissheit will Paulus mit uns teilen: Durch SEINE grenzenlose Liebe können wir jede trennende Wand überwinden.
Gebet: Danke, liebender Vater im Himmel, dass du ohne Wenn und Aber auf unserer Seite stehst. Danke, dass wir von dir umfangen, gehalten und unendlich geliebt sind. Amen.
Lied: Keine Macht der Welt (Wiedenester Jugendlieder 2002, Nr. 178)
Römer 14,9: Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.
Es ist Montagmorgen nach Ewigkeitssonntag. Der Gottesdienst des vergangenen Tages klingt in mir nach. Die Namen der Verstorbenen. Viele der Toten sind mir bekannt. Meine Erzieherin aus Kindergartenzeiten, die auch bei einer kurzen Begegnung auf dem Wochenmarkt noch ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern konnte. Die alte Dame aus der Gemeinde, die unseren Töchtern so gern Kekse geschenkt hat. Ich bin dankbar für diese Menschen und den Segen, den sie in mein Leben gebracht haben. Unter den Namen der Verstorbenen sind aber auch Menschen und Schicksale, die mir Tränen in die Augen treiben: Ein kleines Baby, ein junger Mann, die viel zu früh aus dem Leben gerissen wurden. Ein Mensch, der einen besonderen Platz in meinem Herzen hat und der mir fehlt.
Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.
Die Worte aus dem Römerbrief erinnern mich, dass Lebende und Tote etwas gemeinsam haben: Jesus ist unser Herr. In Jesus sind wir auch über den Tod hinaus verbunden mit geliebten Menschen, die wir ziehen lassen mussten. Und wenn wir selbst einmal sterben und diese uns vertraute Welt verlassen, auch dann bleibt eines gleich: Wir gehören zu Jesus. Im Leben und im Sterben sind wir geborgen in seiner Hand, haben Heimat bei ihm.
Denn keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.
Gebet: Jesus Christus, ich bin so froh, zu dir zu gehören.
Ich bin froh, dass du stärker bist als ich, stärker als der Tod.
Du bist gestorben und auferstanden.
Dir vertraue ich mich an und hoffe auf dich. Amen.
Lied: Bei Gott bin ich geborgen (in: Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder, Nr. 5)
Sprüche 3,27: Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.
Das ist doch eine Selbstverständlichkeit für uns Christen! Muss ich dazu ermahnt werden? „Hilf deinem Mitmenschen!“ So lautet die Überschrift in der Bibelübersetzung Hoffnung für alle. Ganz einfach, oder? Wie ein roter Faden zieht sich der Auftrag, dem Schwachen oder Bedürftigen beizustehen durch das Alte und Neue Testament. Aber schon die Propheten müssen immer wieder dazu ermahnen. Auf die Frage eines Schriftgelehrten, was er tun müsse, um das ewige Leben zu bekommen, erinnert Jesus an das größte Gebot (Lukas 10, 25ff.) und erzählt das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Hier macht Jesus deutlich, worauf es ankommt: Auf die Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu mir selbst. Wenn wir so leben, ist unser Leben im Gleichgewicht, erhält Stabilität und wird belastbar. Ich stelle mir einen dreibeinigen Hocker vor. Wenn ein Bein kürzer ist als die anderen, ist er nicht mehr zu gebrauchen. Wenn ich einen Bereich verkümmern lasse, kommt mein Leben aus dem Gleichgewicht. Die Liebe zu Gott findet ihren Ausdruck in der Liebe und der Fürsorge für mich selbst und meinen Mitmenschen. Wenn ich jemanden liebe, möchte ich Zeit mit ihm verbringen. Wenn ich mir Zeit nehme für Begegnungen, entdecke ich Bedürfnisse: Was wünscht sich Gott von mir? Was tut mir jetzt gut? Welcher Mensch auf meinem Weg bedarf der Hilfe? Auf solch einem Leben ruht Gottes Segen. Dabei geht es nicht darum, mein Helfersyndrom zu pflegen oder krampfhaft nach der „Guten Tat des Tages“ zu suchen, sondern darum, aufmerksam durchs Leben, durch den Alltag zu gehen mit offenem Herzen für Gott und die Menschen an meinem Weg. Wie der barmherzige Samariter, der nicht weggeschaut hat. Vielleicht entdecke ich dabei, dass ich viel mehr vermag als ich gedacht habe.
Gebet: Es herrscht so viel Not, Gott, versteckt oder offen, unsichtbar oder unübersehbar, in unserem Land und in aller Welt. Lass nicht zu, dass ich mich an die Not gewöhne und gleichgültig werde gegenüber denen, die unter ihr leiden.
Lass nicht zu, dass ich zweifle an dem Sinn meiner Hilfe,
weil ich denke, sie sei ja doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Lass mich tun, was notwendig ist. Hilf mir, Not zu wenden. (Eckhard Herrmann, aus "Aus meines Herzens Grunde. Gebete für jeden Tag")
Lied: Dass dein Wort in meinem Herzen starke Wurzeln schlägt (Fontäne in blau, Nr. 44)
1. Mose 27,28: Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle.
Was für ein reicher Segen! So segnet Isaak in Genesis seinen Sohn Jakob! Was ist eigentlich Segen und wie wirkt er? Segen wirkt nicht wie Zauber. Alles, was Isaak seinem Sohn verspricht, passiert nicht sofort, denn Jakob muss fliehen. Segen ist keine Wunscherfüllungsmaschine, die alles Unmögliche möglich macht. Gottes Segen ist nichts, dass wir selbst in die Hand nehmen können. Wir steigern den Ertrag der Felder und Plantagen und ernähren damit viele Menschen. Das ist für Viele ein Segen. Menschengemachter Segen hat aber oft auch seine Schattenseiten, wenn man zum Beispiel an die Klimakrise oder das Artensterben der Tiere denkt.
Was bewirkt es, Segen zu geben und gesegnet zu werden? Segen ist kein Placebo-Effekt. Segen hilft, Zweifel aus dem Weg zu räumen, schafft Gelassenheit und Motivation. Segen kann ein Kompass sein. Segen ist nicht magisch, aber hat Magie. Segen heißt, Gutes sagen, Gutes wünschen - mit einem Zeichen, mit einer Berührung. Segen ist, wenn Menschen sich einander beistehen, sich vergeben und gemeinsam neuen Mut finden. Das alles ist Segen und noch viel mehr. Was im Segen geschieht, ist einfach und zugleich sehr komplex. Man kann sich nicht selbst segnen. Es braucht immer eine Person, die segnet und eine Person, die gesegnet wird. Wir leihen uns dabei G*ttes Stimme und Hände.
Segen geben und nehmen. Gnädig mit anderen sein und für andere da sein. Segen sein. Nicht immer fällt es leicht, G*ttes Segen wahrzunehmen. Trotzdem wirkt er.
Darum wünsche ich euch G*ttes Segen!
Gebet: Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. Amen. (4. Mose 6, 24-26)
Liedvorschlag: Geh unter der Gnade (aus: "Zwischen Himmel und Erde", Nr. 74)
Matthäus 5,44+45: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet.
Wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue, dann scheint dieser Text nicht auf mich zuzutreffen. Ja, es gibt die eine oder andere, mit der ich einen Konflikt habe, aber als Feindin würde ich diejenige nicht bezeichnen. Ob es die Nachbarin ist, mit der ich im Klinsch liege oder der Kollege, der mich verletzt hat. Feinde sind das nicht und verfolgt werde ich auch nicht. Ich lebe in einem sicheren Land, darf meine Meinung sagen, wann und wo ich will, ohne Angst verhaftet oder misshandelt zu werden. Aber dieses Glück haben nicht alle in dieser Welt. Viele Demonstrantinnen riskieren ihre Freiheit, ihr Leben, das Leben ihrer Lieben in dem sie auf die Straße gehen. Sie werden verfolgt, gedemütigt, getötet. Andere leben ein friedliches Leben und werden durch Bombenangriffe und Terror aus ihrem Alltag gerissen, müssen fliehen, ihre Heimat, ihre Angehörigen zurücklassen. Ob sie ihre Angreiferinnen, ihre Peiniger, ihre Verfolgerinnen als Feind*innen bezeichnen, das kann ich nur vermuten. Es steht mir gar nicht zu, ein Urteil zu fällen, geschweige denn, den Opfern zu empfehlen, für die Täter*innen zu beten. Was aber kann ich tun? Ich kann die Situation der Opfer nicht ändern. Ich bin weit weg, ich bin nur eine und so klein und das Unrecht ist so groß. So oft fühle ich mich ohnmächtig. Ich kann beten. Ich kann meine Gedanken und meine Ohnmacht vor Gott bringen. Ich kann für diejenigen beten, die verfolgt werden, die ihre Heimat hinter sich lassen müssen und für diejenigen, die gefoltert, getötet werden. Ich kann für die andere Seite beten, um Einsicht, um Menschlichkeit und um Frieden. Letztendlich kann ich ein Dankgebet sprechen, dafür, dass ich nicht in der Situation bin, Feinde zu haben.
Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich in Frieden leben kann. Bitte sei bei denjenigen, die nicht das Glück haben. Nimm sie in deine Hand, schütze und begleite sie. Amen.
Lied: Da wohnt ein Sehnen tief in uns (aus: Da berühren sich Himmel und Erde, Nr. 209)
Psalm 63,8: Du bist mein Helfer und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Was für ein Bild: Ich stelle mir einen großen Adler vor, der in seinem Horst thront. Majestätisch und erhaben blickt er auf die Welt. Unter seinem locker ausgespannten Flügel wie in einer Höhle sehe ich ein, zwei Junge, die schelmisch unter den Flügeln hervorgucken, die Schnäbel rausstrecken und „frohlocken“. Einen Blick wagen, sich aufrichten, einen Schritt nach rechts, einen nach links, dann tanzen, juchzen, richtig Party machen und es fühlen: Am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Komisches Bild? Auf jeden Fall. Mir wird noch ein sanfteres Bild vor Augen gemalt: „Unter dem Schatten seiner Flügel frohlocke ich“, locke ich das Frohe an, das Leichte, das Beseelte, die Weite. Unter dem Schutz seiner Flügel kann ich mich von Ängsten lösen und froh werden. Mit Hilde Domin „dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“. Einen Blick hinaus, über meinen Nestrand wagen. Unter dem Schatten seiner Flügel kann ich Weite erleben, weil ich Halt habe. Ich kann Flugversuche starten, über mich hinauswachsen, über Mauern und eigene Schatten springen, weil er mich tragen wird. Was denkst und fühlst du, wenn du über die Frage nachdenkst: Wie lebt es sich unter dem Flügel? In Finnland sagt man: „Wer ins kalte Wasser springt, taucht ein ins Meer der Möglichkeiten.“ Und kann anschließend unter dem Schatten seiner Flügel wohlig gewärmt und behütet Pause machen und auftanken. Denn er ist da und unter dem Schatten seiner Flügel lässt‘s sich‘s leben. Let‘s Party!
Gebet: Guter Gott, was für ein schönes Bild: Party unter deiner Flügelhöhle, beschützt und befreit in deine schöne Welt blicken. Hilf uns zu dieser Leichtigkeit, zu diesem Vertrauen. Hilf uns, Schweres bei dir abzulegen und loszulassen und zu erleben, wie fliegen geht. Amen.
Lied: Faithless: God is a DJ (zu finden im Internet)
Auf Seele, Gott zu loben (EG 690)
Matthäus 16,15: Jesus Christus spricht: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?
Stellen Sie sich vor, wir gingen auf die Straße und würden Menschen befragen: Für wen halten Sie Jesus?
Solche Meinungsumfrage ergäbe vermutlich eine Fülle verschiedenartiger Antworten. Ein guter Mensch. Ein Religionsgründer. Ein Pazifist. Einer, der gekreuzigt wurde und auferstanden ist. Ein Lehrer, Erlöser …. Weiß ich nicht.
Ähnlich fragte Jesus seinerzeit seine Jünger: Für wen halten mich die Leute? Die Freunde Jesu kannten sich im jüdischen Kulturkreis aus und wussten, dass ein Retter erwartet wurde. Deshalb richteten die Zeitgenossen ihre Sehnsucht auf jemanden wie Johannes den Täufer, Elia oder einen Propheten wie Jeremia. Sie identifizierten Jesus mit einem dieser Vorläufer. Jesus lässt nicht locker und fragt weiter: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? Petrus wagt sich vor: „Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Dieses Bekenntnis ist so etwas wie ein Kernsatz unseres christlichen Glaubensbekenntnisses. Die von Jesus gestellte Frage gilt auch uns heute: Für wen hältst du mich? - Wie kann ich zu einer persönlichen Aussage kommen, ehrlich und aufrichtig?
Jesus preist Petrus glücklich, weil ihm diese Erkenntnis von Gott geschenkt wurde. Ist eine derartige Positionierung auch meine Kompetenz? Ich folge gern Martin Luther, der den Glaubensartikel zum Heiligen Geist erklärt: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, ...“
Diese Aussage vermittelt: Glaube ist ein Geschenk und spornt an, in der Bibel nachzulesen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, nach christlichen Spuren zu suchen, wo auch immer. So kann ein Zugang zu Jesus Christus entstehen, der sich entwickeln und an Klarheit gewinnen kann.
Gebet: Dreieiniger Gott, weise mir den Weg zu Jesus Christus, öffne mir Augen und Ohren für sein wunderbares Wirken unter uns. Amen.
Lied: Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude (EG 66)
Jakobus 1,22: Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.
Was will uns Jakobus mit dieser Aufforderung sagen? Sind wir nicht alle aus Gnade gerettet? Ist Jesus nicht deshalb gestorben und auferstanden, dass keiner mehr sein Heil selber erarbeiten muss? Kann man also doch Bonuspunkte sammeln für eine Belohnung im Himmel? Na, da schau ich doch mal in den Evangelien nach, wie sich das mit dem Tun und dem Hören verhält. Ich lese im Lukasevangelium, dass Jesus nach seiner Taufe im Jordan erst allein umherzieht und in den Synagogen predigt. Er erzählt von der Liebe Gottes, dass wir seine Kinder sind und Gott uns liebt und befähigt, zum Glauben und Tun. Jesus selber heilt viele Menschen und gibt ihnen Mut und Würde zurück. Schon bald beruft er die ersten Jünger, einfache Fischer, die ihm folgen und von ihm lernen. Mehr und mehr Menschen folgen ihm und aus ihnen wählt Jesus nach einer Nacht des Gebetes zwölf Männer (entsprechend den zwölf Stämmen Israels) die zum inneren Kreis gehören. Außer den Männern gehören auch Frauen zum inneren Kreis. Lukas nennt Maria Magdalena, Susanna und Johanna mit Namen und noch einige andere (Lukas 8,1-3). Das ist also das Kleinteam von Jesus. Später wählt Jesus 72 Mitarbeitende aus und sendet sie mit dem Auftrag “heilt die Kranken und sagt den Menschen: Gott ist euch nah“ zu zweit in alle Städte und Ortschaften. Sein Team macht großartige Erfahrungen: Sie erleben, wie Menschen gesund werden, neuen Lebensmut bekommen, sich aufrichten, bösen Mächten entkommen und sich engagieren für andere. Gott will uns als Mitarbeiter*innen. Dabei wachsen wir, entdecken Gaben, erleben Gemeinschaft und erfahren, dass Gottes Wort wirkt. Zu dieser Erfahrung möchte Jakobus in seinem Brief jeden ermutigen.
Gebet: Jesus, du baust dein Reich auf dieser Erde - ein Reich der Liebe und des Friedens, in dem jeder Mensch willkommen ist. Wir sehen und spüren das oft nicht. Du brauchst Menschen, die das umsetzen und leben. Gib uns den Mut und die Entschlossenheit, nach deinen Worten zu leben und auf deine Kraft zu vertrauen. Halleluja! Amen.
Lied: Gott gab uns Atem (EG 432)
Hiob 9,8+9: Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meeres. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.
„Schau mal, da ist der Große Wagen direkt vor unserer Haustür!“, so sagte ich es an einem Novemberabend voller Begeisterung zu meiner Familie. Die prompte Antwort: „Das ist doch immer so!“ Ehrlich gesagt, war ich ein wenig frustriert. Ich – voller Staunen und Begeisterung über das tolle sternenklare Bild, das so DIREKT vor meiner Nase war – und meine Familie ließ sich davon nicht begeistern, sondern tat es als gewöhnlich ab. Ja, natürlich ist es jedes Jahr im November das gleiche Bild vor unserer Haustür. Doch werde ich zu dieser Jahreszeit immer etwas ehrfürchtig vor allem, was da um uns herum ist.
Hiob allerdings blickt anders auf diese Gestirne. Er, der Opfer einer Wette zwischen Gott und dem Widersacher wurde. Er, der einfach alles verloren hat, obwohl er zu jeder Zeit sich nichts zuschulden hat kommen lassen. Seine drei Freunde versuchen, ihn auf unterschiedliche Weise zu unterstützen. Heute würde man sagen, Hiobs „Mindset“ zu stützen und ihn zu „coachen“. So richtig zugänglich ist er jedoch nicht. Sieben Tage und Nächte sprechen sie miteinander. Rund um unseren Monatsspruch antwortet Hiob gerade auf Bildad, der Hiob recht direkt anspricht: „Wie lange willst du denn noch jammern – erinnere dich an Gottes Handeln an dem, der an ihn glaubt. Schau auf deine Vorfahren!“
Hiobs Name wird ihm in seiner aktuellen Lebenssituation zum Programm: „Wo ist der Vater?“ Diese Suche ist es, die ihn beschäftigt. Hiob weiß, dass die Spuren Gottes in den Naturgewalten zu finden sind. Er weiß, dass man Gottes Handeln nicht immer sehen oder spüren kann, wenn es gebraucht wird. Und doch schreit sein Herz: „Wo bist du, Vater?“ Am Ende jedoch sieht Hiob wieder Licht!
Gebet: Gott, lass mich staunen über deine Sterne am Himmel. Lass mich auch in den dunklen Novembertagen dich spüren und erleben. Gott zeige dich mir! Amen.
Lied: Eines Tages (aus freiTöne, Nr. 107)
Lukas 2,30+31: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.
Welch beglückender Text in dieser adventlichen Zeit: Hier spricht jemand, der Gott sehen durfte! Können wir das auch, wenn wir zu Weihnachten das Kind in der Krippe sehen? Sehen wir dort unseren Heiland?
Ich habe oft, fast mit Neid, gedacht, dass Simeon Gott sehen durfte und bin in meinem blinden Zweifel stecken geblieben. So wie Thomas, der Jünger, der nicht glauben konnte bevor er nicht Jesus leiblich gesehen und berührt hatte.
Aber woher wusste Simeon, dass er den Heiland gesehen hat? Wie konnte er ihn in diesem Kind erkennen? Hat Gott ihm die Augen geöffnet oder hat sein Glauben ihm zu diesem Sehen verholfen? Schließlich war ihm ja verheißen worden, dass er erst sterben würde, wenn er den Heiland gesehen hätte.
Darauf hat er vertraut und gewartet.
Haben wir nicht auch solche Verheißungen, dass wir Gott vertrauen und ihn erkennen können? Die Bibel spricht so oft vom Sehen und Erkennen, vom Vertrauen aus Glauben.
Und doch wird in mir immer wieder der Zweifel wach. Dann halte ich mich an Luthers Aussage: "Der Zweifel gehört zum Glauben". Das bedeutet für mich, nicht aufgeben, sondern weiter geduldig suchen und warten. Im alten Kirchenlied "So nimm denn meine Hände..." heißt es in der zweiten Strophe: "Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind, es will die Augen schließen und glauben blind". Nein, nicht die Augen zu verschließen ist damit gemeint, sondern "blindes Vertrauen" in der Gewissheit, dass ich den Heiland immer wieder suchen und finden kann. So wie es die Jahreslosung 2022 verspricht: "Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen" (Joh. 6,37).
Gebet: Herr, öffne mir Augen, Ohren und das Herz, dass mein Suchen nach dir Erfüllung findet und ich so in Frieden leben und auch sterben kann. Amen.
Lied: Vertrauen wagen dürfen wir getrost (aus: Ich sing dir mein Lied von Fritz Baltruweit, Nr. 30)